22. März 2021

Corona Notfallgesetzgebung

VDIV Deutschland fordert gesetzliche Erleichterungen für Eigentümerversammlungen

In einem alarmierenden Schreiben an die Bundesregierung fordert der Verband der Immobilien­verwalter Deutschland (VDIV Deutschland), die Regelungen zum Abhalten von Eigentümer­versammlungen für das Jahr 2021 im Rahmen der Notfallgesetzgebung deutlich zu lockern. Ohne den Spielraum für reine Online-Formate, wie sie bereits im Zuge der Corona-Pandemie beim Vereins- und Aktienrecht explizit geschaffen wurden, drohen erhebliche negative Konsequenzen für Wohnungseigentümergemeinschaften, aber auch für das Erreichen der Klimaschutzziele und für mittelständische Unternehmen.

Seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor rund einem Jahr sind zahlreiche Eigentümer­versammlungen ausgefallen. Die Ende März 2020 in Kraft getretene Notfallgesetzgebung bietet in Artikel 2, § 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht lediglich Lösungen für Wirtschaftspläne und Verwalterbestellungen. „Doch dringende Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen bleiben auf der Strecke. Die Klimaziele im Gebäudebestand verpuffen wiederholt und große gesellschaftspolitische Themen wie der Ausbau der E-Mobilität stehen still“, erläutert VDIV-Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaßler. 

Potenzial der WEG-Reform für Mobilitätswende bleibt ungenutzt
Zwar räumt das seit Dezember 2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz jedem Wohnungseigentümer das Recht auf Einbau einer E-Ladestation ein. Doch da entsprechende Beschlüsse pandemiebedingt nicht gefasst werden können, kommt der Ausbau der Ladeinfrastruktur bei den etwa vier Millionen Stellplätzen in Wohnungseigentümer­gemeinschaften (WEG) nicht voran. „Das entsprechende KfW-Förderprogramm von mittlerweile 400 Millionen Euro läuft daher komplett am Wohnungseigentümer vorbei. Der Förderzuschuss von 900 Euro pro Ladesäule bleibt Wohnungseigentümern verwehrt“, konstatiert Kaßler.

2022 droht Umsetzungsstau für Baumaßnahmen
Den Spitzenverband erreichen zudem zahlreiche Hilferufe von mittelständischen Dienstleistungsunternehmen, die aufgrund fehlender Entscheidungsgrundlagen nunmehr seit vielen Monaten kaum noch Aufträge erhalten. Zunehmend wird dort das Personal in Kurzarbeit geschickt. „Werden 2022 bei möglicherweise wieder regulär stattfindenden Eigentümerversammlungen die Beschlussfassungen zu Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen in größerem Umfang nachgeholt, droht ein massiver Umsetzungsstau, da die Unternehmen die mögliche Flut an Aufträgen nur schwer, geschweige denn zeitnah umsetzen können“, betont der VDIV-Deutschland-Geschäftsführer.

Flexibilität der Notfallgesetzgebung für Vereins- und Aktienrecht muss auch für Eigentümergemeinschaften gelten
Da nicht absehbar ist, wann die Covid-19-Pandemie überstanden ist, muss aufgrund der Dringlichkeit vieler Beschlussfassungen eine neue gesetzliche Regelung zum Abhalten von Eigentümerversammlungen her. Zwar sieht der neue § 23 Abs. 1 Satz WEG mit der eingeführten Online-Teilnahme an (Präsenz-)Ver­sammlungen bereits eine kleine Flexibilisierung für die Durchführung von Wohnungs­eigentümer­versammlungen vor. Auch die Gestattung von Umlaufbeschlüssen in Textform in § 23 Abs. 3 WEG hilft. „Doch diese beiden Erleichterungen sind nicht ausreichend. Denn sie setzen zunächst das Abhalten von Präsenz-Eigentümerversammlungen voraus – die seit Monaten aber unterbleiben. Deshalb müssen für das laufende Jahr die jetzigen Regelungen für das Abhalten von Eigentümerversammlungen auf den Prüfstand gestellt werden. Was übergangsweise für Aktionärsversammlungen und Vereine gilt, sollte auch für WEG-Versammlungen möglich sein“, sagt Kaßler.

Der VDIV Deutschland fordert daher von der Bundesregierung drei Maßnahmen:

  1. Reine Online-Eigentümerversammlungen sollten umgehend ermöglicht werden. Denn es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso im Rahmen der Notfallgesetzgebung gesetzliche Regelungen zur Durchführung von Online-Versammlungen im Aktien- und Vereinsrecht in Artikel 2, § 5 des Abmilderungsgesetzes geschaffen wurden, für Wohnungseigentümer­gemeinschaften diese wichtige rechtliche Grundlage jedoch fehlt.

  2. Nachdem nun § 23 Abs. 3 WEG für einzelne Beschlussgegenstände eine einfache Mehrheit vorsieht, sollte das Einstimmigkeitserfordernis für Umlaufbeschlüsse aufgehoben und hier stattdessen eine Zwei-Drittel-Mehrheit für jeden Beschlussgegenstand verankert werden, um wirksame und schnelle Willensbildung zu ermöglichen.

  3. Um virtuelle Eigentümerversammlungen rechtssicher nutzen zu können, sollte die Geltendmachung von Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen einzelner Eigentümer ausgeschlossen sein (z. B. Formfehler bei Einladungen). Dies muss auch für die in virtuellen Eigentümerversammlungen gefassten Beschlüsse gelten.

„Diese Änderungen würden keine negative Auswirkung auf Wohnungseigentümer haben, da sie bei Abstimmungsquoren nicht schlechter gestellt werden. Auch die Befürchtung, dass ältere Wohnungseigentümer bei Online-Lösungen von der Willensbildung ausgeschlossen werden, ist nicht haltbar. Denn die Möglichkeit der Stimmrechtsüber­tragung auf andere Eigentümer oder den Verwalter besteht selbstverständlich weiter. Stattdessen würde die Willensbildung vereinfacht, die Umsetzung klimapolitisch relevanter Maßnahmen erleichtert, mittelständische Handwerksbetriebe nicht in die Insolvenz getrieben – und KfW-Förderungen zur E-Mobilität ihr Ziel nicht verfehlen, weil es Millionen Wohnungseigentümern versagt bleibt, daran zu partizipieren“, so VDIV-Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaßler abschließend.